Wie waren diese Anfangsjahre für dich, was war prägend?
Ich erinnere mich noch gut an den Zuzug der vielen Spätaussiedler aus Russland – Deutschrussen, zum Beispiel aus Kasachstan. Viele von ihnen waren evangelisch, daher wuchsen unsere Gemeinden enorm. Und sie prägten auch die Jugendarbeit. Es trafen verschiedene Kulturen aufeinander, es gab Sprachbarrieren und allgemein war die Arbeitslosigkeit, vor allem auch die Jugendarbeitslosigkeit in der Zeit sehr hoch. Der Schwerpunkt lang nun sehr auf interkulturellem Arbeiten, vor allem auch im offenen Jugendtreff in Wesendorf. Das war eine fordernde, aber auch sehr bereichernde Situation.
Außerdem gab es in den 90er Jahren eine große Jugendreform im Landkreis. Die Angebote offener Jugendarbeit wurden lokal in die Samtgemeinden verlagert. Die Kirchengemeinde in Wesendorf hat daher für den Jugendtreff eine Kooperation mit der politischen Gemeinde angeregt. Diese besteht bis heute.
Das hat sich doch alles gut gefügt, wie kamst du dann nach Gifhorn?
Meine Frau hatte damals noch studiert und wurde später meine Kollegin mit einer halben Diakonenstelle in Wahrenholz. Daher wurden bei mir Stellenanteile frei, sodass ich 1992 einen Zusatzauftrag für Theaterpädagogik beim Kirchenkreisjugenddienst angenommen habe. Seitdem schlägt mein Herz für die Theaterarbeit, das hat mir immer viel Spaß gemacht. Ich erinnere mich gut und gern an die vielen Kindertheatertage und weitere Aktionen.
Irgendwann suchte ich dann nach neuen Herausforderungen und habe eine Fortbildung in der Krankenhausseelsorge angefangen. Aber dann hörte die damalige Kirchenkreisjugendwartin auf und ich wurde KKJW – zu 100%.
Und was waren die Highlights, an welche Themen und Aktionen erinnerst du dich aus deiner Zeit als KKJW?
Ich zähle mal auf:
- In den ersten zehn Jahren haben wir die Arbeit mit Kindern als großen Schwerpunkt setzen können. Das war wichtig.
- Dann fällt mir natürlich Offendorf ein, das Zeltlager wird von der Landeskirche Hannovers betrieben. Der Kirchenkreis Gifhorn wurde irgendwann eingeladen, dort mitzuarbeiten – das war damals eine Ehre!
- Dann die Gründung unseres Apfelsaftprojekts „Mosten statt rosten“, wir haben Fallobst gesammelt und unseren eigenen Apfelsaft in den Kirchengemeinden verkauft.
- Und anfangs gab es alle zwei Jahre ein großes Sprengeljugendcamp am Tankumsee, was wir maßgeblich mitorganisiert haben. Damals gehörte der Kirchenkreis Gifhorn noch zum Sprengel Hildesheim.
- Aber es gab auch eine finanziell bitter enge Zeit, das änderte sich langsam ab 2010. Da haben wir den Sprengel verlassen und wurden Lüneburg zugeordnet. Ein Sprengeljugendcamp gab es dann leider nicht mehr … aber eine deutlich stärkere Einbindung der ehrenamtlich engagierten Jugendlichen im Sprengel.
- Aufgrund von Personalwechseln hat das Landesjugendpfarramt sich nach einigen Jahren aus der Organisation in Offendorf zurückgezogen und der Kirchenkreis Gifhorn wurde federführend.
- Und vor ein paar Jahren kam die schulnahe Jugendarbeit als neues Feld dazu. Wir haben viele Projekte in Kooperation mit Schulen ins Leben gerufen, allen voran die Tage ethischer Orientierung (TEO) oder auch die Bibelerlebnistage für Grundschulkinder.
Das klingt nach vielen spannenden Jahren und Herausforderungen, in der kirchlichen Jugendarbeit in und um Gifhorn hat sich viel bewegt. Was sind die Herausforderungen, die jetzt anstehen? Was steht ganz oben auf der ToDo-Liste?
Das Konzept, das wir für den nächsten Planungszeitraum ab 2023 eingereicht haben, zu beschießen und zu leben. Das ist die ganz kurze Fassung. Ansonsten gibt es aus meiner Sicht zwei grundlegende Punkte:
Zum einen ein Kirchenkreisjugendwart und fünf Regionalstellen, um die Grundversorgung unserer Jugendarbeit flächendeckend sicherzustellen. Hierbei ist es ganz wichtig, dass diese Personen zusammenarbeiten, gemeindeübergreifen! Das Gartenzaundenken überdenken: Gemeindeübergreifendes Denken muss bei uns im Kirchenkreis unbedingt eingeübt werden.
Zum anderen müssen auch im neuen Gebäudekonzept Räume für Kinder und Jugendliche unbedingt mitgedacht werden. Es müssen multifunktionale Räume bereitgestellt werden, die sie selbst gestalten können. Kinder und Jugendliche brauchen Orte, wo sie willkommen sind, sich treffen können, sich wohlfühlen.
Nun gibt es noch keinen Nachfolger für deine Stelle aber wenn du deinen Nachfolger, deine Nachfolgerin treffen würdest, was würdest du ihm/ihr mit auf den Weg geben?
(Schweigen) … das kommt darauf an, was das für ein Mensch ist, etwa wie alt und welche Erfahrung …
Was würdest du denn im Umkehrschluss dem Kirchenkreis empfehlen?
Ganz klar, jemanden externes zu nehmen. Jemanden mit Erfahrung, der strukturell gut aufgestellt ist. Das heißt, der Strukturen erkennt, in Strukturen denken und agieren kann und der sich als Networker versteht. Jemand, der verbinden und einbinden kann, der Menschen zusammenbringt.
Und er muss selbst gut geerdet sein im Glauben.
Wie meinst du das?
Er muss sich sicher positionieren können aber souverän, nicht absolut. Es gibt viele verschiedene Glaubensansätze hier im Kirchenkreis, diese muss er zulassen und akzeptieren können – aber auf Augenhöhe.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Wenn du jetzt von deiner Verabschiedung nach Hause fährst, was steht dann für dich an?
Erstmal werde ich in Ruhe all die lieben Worte, Grüße und Geschenke durchsehen und die Verabschiedung in der Nikolaikirche Revue passieren lassen.
Und dann … Ich habe mir schon viele Bücher gekauft, die ich immer schon mal lesen wollte. Jetzt komme ich hoffentlich dazu. Aber ich bin auch als Großvater ganz gut eingespannt, meine beiden Enkel sind zwei und sechs Jahre alt.
Nächstes Jahr möchte ich eine längere Radreise machen, ganz alleine für mich, vielleicht pilgern. Ich plane ein Bisschen im Vereinssport in Celle aktiv zu werden und ich möchte mich politisch-gesellschaftlich einbringen. Hier in Celle gibt es ein Bündnis gegen Rechts, wo ich mich engagieren möchte. Und ich hoffe, ich finde nun etwas mehr Zeit für Freunde, mit denen ich bisher nicht so viel Kontakt haben konnte, wie ich es gerne gehabt hätte.