Ende Juni geht Superintendentin Sylvia Pfannschmidt in den Ruhestand. Ein paar Fragen zu ihrer Zeit bei Kirche, im Kirchenkreis und zu dem, was kommen mag...
Liebe Sylvia, am 15. Juni lädst du zum großen Verabschiedungsfest ein. Vor elf Jahren bist du als Superintendentin in unseren Kirchenkreis gekommen. Was waren damals die Herausforderungen?
Als ich im Herbst 2014 nach Gifhorn kam, begann gerade die neue Finanz- und Stellenplanung, in der ich mich intensiv engagierte. Die Abstimmung mit den Gemeinden, die Ausgewogenheit von Gemeinden und Kirchenkreiseinrichtungen waren mir dabei wichtig. In den ersten Jahren gab es durch Ruhestände und Wechsel eine große Veränderung in der Kollegenschaft. Mir war wichtig, ein wertschätzendes Klima in der Konferenz zu entwickeln durch Klausuren und Austauschmöglichkeiten.
Seit 2015/16 wurde die Kirche immer auch gesellschaftspolitisch angefragt in ihrem Engagement für die geflüchteten Menschen, später dann für die Bewältigung der Corona-Pandemie, sowie die Menschen, die aus der Ukraine bei uns Hilfe und Unterstützung suchten. Wachsender Einsatz für wertschätzenden Umgang, für Zusammenhalt der Gesellschaft wurde in den letzten Jahren immer wichtiger.
In der Zwischenzeit hat sich viel bewegt, hast du viel bewegt, auf welche Meilensteine schaust du zurück?
Um die Kommunikation intern und extern zu verbessern durch Newsletter, Homepage und social-Media, habe ich die Einrichtung einer halben Stelle für die Öffentlichkeitsarbeit durchgesetzt, die jetzt sogar in der Hauptsatzung des Kirchenkreises verankert ist. Außerdem liegt die Pfarrstelle der/des Superintendent:in nun auf Kirchenkreisebene und nicht mehr in der Nicolaigemeinde.
Darüber hinaus konnten wir in der Region Okeraue einen Gemeindemanager einsetzen. Er soll die Kirchenvorstände von Verwaltungsaufgaben entlasten. Das Pilotprojekt braucht sicherlich etwas Nachjustierung, doch ich hoffe, andere Regionen werden von den Erfahrungen profitieren.
Außerdem habe ich Visitationen bewusst auf regionaler Ebene durchgeführt. Das hat zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Gemeinden geführt und zu dem Bewusstsein, dass wir nur gemeinsam Kirche mit den unterschiedlichen Profilen abbilden.
Inhaltliche Meilensteine waren die Lange Nacht der Reformation, das Ehrenamtsfest, die Kirchenkreischorfeste, die Einweihung des Hospiz und vieles mehr ...
Welche Themen/Bereiche lagen und liegen dir besonders am Herzen?
Mir lag am Herzen, Kirche niedrigschwellig zu öffnen. Zum einen durch die Tankorte, die spirituelle Impulse für unterwegs anbieten und durch die Segensreichen Momente, das neue Segensbüro … wir müssen nach draußen gehen und unterschiedlichste Menschen erreichen.
Außerdem war mir die Jugendarbeit und die Neuaufstellung des Kreisjugenddienstes wichtig, die jetzt hoffentlich auch durch eine Neustrukturierung und bessere Räume mehr Möglichkeiten für die Mitwirkung und Ansprache von Jugendlichen erhält.
Du verabschiedest dich nicht nur aus Gifhorn, sondern generell aus dem aktiven Kirchendienst. Woran wirst du dich gern zurück erinnern, was wirst du vermissen?
Ich bin dankbar, dass ich den Beruf als Pastorin ausüben durfte. Ich erinnere mich an wunderbare Freizeiten, an mutmachende Gottesdienste, erfolgreiche Sitzungen, effektive Klausuren, tolle Aktionen und Projekte. Vermissen werde ich vieles, die Gestaltungsmöglichkeiten, die Kollegen und Kolleginnen, die Gemeinden mit ihren engagierten Ehrenamtlichen, die Mitarbeit im Segensbüro und, und, und. Nicht vermissen werde ich die überbordende Bürokratie. Zum Glück geht man als Pastorin nie ganz. Ich kann, wenn ich will und die Gesundheit es erlaubt, weiterhin Gottesdienste und Kasualien machen. Mal sehen, wozu mich Gott noch braucht.
Du kamst aus dem Weserbergland zu uns nach Gifhorn, wo du 20 Jahre Gemeindepastorin warst. Was hat dich bewegt, Pastorin zu werden?
Die lebendige Jugendarbeit in meinem Heimatort Elze mit Kinder- und Jugendgruppen, Freizeiten und theologischen Diskussionen im Mitarbeiterkreis motivierte mich, Pastorin zu werden. Ein Schwerpunkt lag darum während meiner Gemeindetätigkeit in der Konfirmanden- und Jugendarbeit. Besonders geschätzt habe ich die Vielfalt des Pastorenberufes mit unterschiedlichen Altersgruppen und täglich wechselnden Herausforderungen.
Und was hat dich gereizt, später eine Superintendenturstelle anzutreten?
Nach einer langen Gemeindephase wollte ich die Erfahrungen weitergeben und kirchliches Lebens auf der Kirchenkreisebene mit Ehren- und Hauptamtlichen gestalten, meine Ideen eintragen, Menschen motivieren und gemeinsam Kirche zukunftsfähig aufstellen.
Im Ruhestand geht es zurück in die alte Heimat, nach Fürstenberg. Was hast du dort vor, gibt es schon Projektideen, die du angehen möchtest?
Das vorherrschende Projekt ist im Haus ankommen mit allem, was an baulichen Veränderungen zu tun ist. Den Garten in Angriff nehmen und schauen, wie es sich anfühlt, ohne Termindruck zu leben. Mal sehen, was dann in mir wächst. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, meinen Enkel öfter zu sehen und die junge Familie regelmäßig zu unterstützen.
Der Kirchenkreis sucht derzeit eine:n Nachfolger:in. Welchen Themen und Herausforderungen wird er/sie sich widmen müssen?
Die Mitgliedszahlen der Kirchen sinken, ebenso die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, so wie das ausgebildete hauptamtliche Personal. Wir sind dabei, die Gebäude nach ihrer zukünftigen Nutzbarkeit und Erhalt einzuordnen – auch die Kirchen. Außerdem fordert die Landeskirche die Umsetzung der Klimaschutzkonzepte.
Es braucht den Mut, einschneidende Veränderungen zu initiieren, ungewohnte Weg einzuschreiten, auf Gebäude zu verzichten oder mit neuen Partnern zu nutzen. Verwaltungskosten müssen eingespart werden. Dies setzt auch strukturelle Veränderungen in den Gemeinden und Regionen voraus. Dieser Prozess des Abschiednehmens und des Neudenkens muss begleitet werden. Bei allem braucht es die Vision eines Kirchenkreises, der Gemeinschaftsorte ermöglicht, Glaubenserfahrungen, diakonisches Engagement in großer Vielfalt.
Du verlässt den Kirchenkreis in Zeiten des Um- und Aufbruchs, Veränderungen in Struktur und Selbstverständnis sind unabdingbar und berühren alle Bereiche kirchlichen Lebens. Was möchtest du den Menschen hier in und um Gifhorn mit auf den Weg geben?
Ich wünsche den Menschen hier in Gifhorn und Umgebung den Mut, mit Gott über Mauern zu springen, nicht nur an Vertrautem festzuhalten, sondern Neues auszuprobieren. In den Krisen dieser Zeit braucht es die Botschaft der unverbrüchlichen Liebe Gottes, die aufscheint im versöhnten Umgang miteinander und im Engagement für diese Welt. Jesus Christus geht diesen Weg mit: „Fürchte dich nicht. Ich bin mir dir.“
Die letzten Monate und Wochen für dich hier im Kirchenkreis sind gut gefüllt. Viele Termine nimmst du nun zum letzten Mal wahr. Einiges muss noch geregelt, geordnet und erledigt werden. Die große Abschiedsfeier findet dann am Sonntag, den 15. Juni, 15.00 Uhr in und an der Nicolaikirche Gifhorn statt. Hierzu sind alle Leser:innen herzlich eingeladen!